Webpoeten*innen
Blumenbeet
Telse Polenski
Flamme
Liebe
Murmel
Murmeln aus der Vergangenheit
Die
Liebe der Tochter
Der
Mutter
Der
Großmutter
Der
Urgroßmutter
reicht tief in die Zeit
reicht aus der Tiefe der Zeit.
Ihr
Impuls ein Bild zu malen: die Tänzerin in meinem Zimmer.
Ich
sitze im dritten Rang im Dunkeln. Unten schwingen sich Tänzer und
Tänzerinnen über die Bühne. Ich spüre die Wärme von ihr neben mir.
In
der Pause hüpft das Kind im Foyer. Will schweben wie die Tänzerinnen.
Von
Mund zu Mund, von Hand zu Hand gereicht.
Farben – Tuschkasten – Wachsstifte.
Sie
malte Blumen auf den Teppich.
Bunte Wachstuchdecke in der Küche
Weiße Margeriten handtellergroß auf knallgrünem Grund.
Ein
bestickter Gürtel, ein buntes Kissen überdauern.
Meine Mutter reicht mir das Gelb, das Blau, das Rot der Kaffeekanne
herüber.
Blaue und rote Glasvasen leuchten noch immer im Fenster.
Ein
rotweißes Zimmer
Eine Blaue Küche
Ein
Grünes Zimmer
Ich
atme den Geruch von Ölfarben ein.
Wer
spricht mit mir?
Sie: „Ich reiche dir die Farben – sie sind übrig geblieben in meinem
Leben. Das Rot, das Gelb, das Ultramarin – drucke es auf Papier!
Lasse Kaskaden von Seide, Viskose, Leinen über
dich fließen!
Nähe dir große Blüten auf den Leib!“
Ich: „Im August werden die Farben langsam gedeckter. Die Hagebutte
leuchtet in der Hecke. Gelbe knallige Blüten, da und dort, ein Feld ganz
in Gelb.
Sie: „Ich schenke Dir die Liebe zu Blumen, die Liebe zu Farben von der
Großmutter zur Enkelin, zur Urenkelin – das bist Du! Die Ururenkelin hat
auch schon Blumen auf dem Balkon und trägt den Regenbogen.“
Ich: „Mit der Farbrolle auf das Papier. Farbe schmatzt satt. Mein
Stundenbuch blättert sich auf. Versponnene Papierwelten.“
Sie: „Die Vorhänge waren gelb, das Licht sickerte ins Zimmer. Draußen
weiß der Balkon, die Wolken. Die
Ich: „Dein Lederrock war blau, dein Kostüm froschgrün, ein dunkelgrünes
Seidenkleid, das Abendkleid samtig nachtblau. Knallrote Gummistiefel mit
weißer Schleife. Sie stehen noch immer in meinem Flur. Der Schottenrock
brauchte ein ganz bestimmtes Blau: Bluewatch.
Surendorf, 9. September 2023
Telse Polenski
Meine Stimme ist wie die meiner Mutter
Meine Stimme ist wie die meiner Mutter.
Manchmal, wenn ich spreche, dann höre ich sie sprechen.
Aber ich sage, dass was ich zu sagen habe.
Ihre Stimme ist verklungen. Das schmerzt noch immer.
Ihre Stimme war energisch, manchmal klagend, manchmal kindlich klagend.
Vieles, was sie schrieb, sagte, machte, blieb in unserem Schatten.
Dann wurde ihre Stimme trotzig.
Meine Stimme ist wie die meiner Mutter?
Meine Stimme ist nicht kindlich.
Meine Stimme ist nicht trotzig.
Vielleicht sollte ich ihrem verklungenen Lachen nachhorchen?
Vielleicht sollte ich ihr mehr zuhören?
In meiner Stimme ist ihr Echo.
Telse Polenski,
Surendorf, 9. September 2023
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