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Webpoeten

Ein Versicherungsvertreter im Sonnenblumenfeld

Jonathan Silberstein blinzelte mit den Augen. Die grelle Sonne blendete ihn. Sein Oberhemd klebte schweißnass an seinem Körper, die Krawatte lag neben ihm im Feld und sein Jackett hatte er als Kopfkissen benutzt. Wo war er? Schlaftrunken blickte er um sich. Es roch nach Sommer; er befand sich in einem Feld mit gelben Sonnenblumen, hatte hier offensichtlich ein Nickerchen gemacht. Wie war er hierher gekommen?

Sein Kopf war heiß. Die Erinnerung kam nur langsam zurück. Es war ein Tag wie jeder andere gewesen. Der Wecker hatte ihn um 6:30 Uhr aus dem Schlaf gerissen; nach einer kurzen Dusche hatte er in seiner kleinen Einbauküche ein kurzes Frühstück (Kaffee und Müsli) zu sich genommen, war in die vom Bügel- und Waschservice gestern frisch gelieferte Garnitur aus Hemd und Anzug geschlüpft, eine farblich halbwegs passende Krawatte gegriffen, seine Schuhe geschnürt, den Aktenkoffer gegriffen und nichts wie los zum ersten Kunden. Zwei Lebensversicherungen hatte er heute Vormittag verkauft. Beim dritten Kunden wurde er abgewiesen, auf eine wenig freundliche Art beschuldigt, er wolle einen übers Ohr hauen. „Übers Ohr hauen“ - Er, Jonathan Silberstein, war niemand, der andere übers Ohr hauen wollte! Er konnte allerdings nicht leugnen, dass ihn in den letzten Jahren oft selbst hin und wieder Zweifel über die Rentabilität seiner Produkte geplagt hatten.

Er hatte das Einfamilienhaus dieses besagten Kunden, bzw. nun doch nicht Kunden, verlassen und dann war es geschehen. Anstatt auf sein eine Straßenkreuzung weiter geparktes Auto zuzusteuern, lief er , wie ferngesteuert, getrieben von einer unbekannten Macht, lief er, lief immer weiter, ziellos, kopflos, bis er schon den Rand der Ortschaft erreicht hatte und sich Felder beidseits seines Weges erstreckten. Und da erblickte er es zu seiner rechten: Dieses prachtvolle Sonnenblumenfeld. Er rannte förmlich hinein und lies sich schließlich fallen, wie in die Wogen des Meeres. Er machte es sich bequem, lockerte seine Krawatte und warf sie neben sich, zog sein Jackett aus, bettete seinen Kopf darauf und schaute in den wolkenlosen blauen Himmel bis ihm die Augen zufielen….

Text: Birgit Braxator

 


 

Eisbär

„Ich möchte ein Eisbär sein; da oben am Polar. – Dann müsste ich nicht mehr schreien, alles wär so klar…“. Dieser Ohrwurm der „neuen deutschen Welle“ nagte emsig in meinem Ohr, kaum hatte ich mich für dieses Wort entschieden.

Möchte ich wirklich ein Eisbär sein? Ist es heutzutage erstrebenswert ein Eisbär zu sein? Ist die im Text proklamierte Klarheit nicht eine Illusion? Die eindeutige Antwort auf die ersten beiden Fragen: Nein! Ich bin froh, dass ich kein Eisbär bin. Nie sind Eisbären in einem schnelleren Tempo ihres natürlichen Lebensraums beraubt worden wie in den letzten Jahren. Ein massives Eisbärensterben hat eingesetzt verschuldet durch die Eisschmelze als Folge des Klimawandels. Den Eisbären in der Arktis sind die Nahrung und ihr natürlicher Lebensraum abhandengekommen.

Dann gibt es ja noch die Eisbären im Zoo. Zwar stehen zur Zeit mehr die Pandabären im Focus des öffentlichen Interesses, aber ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als mein Sohn ca. 4/ 5 Jahre alt war und wir in den Zuschauerrängen des Berliner Zoos am Eisbärengehege standen und gemeinsam mit vielen anderen Schaulustigen Knuts erste Geh- und Schwimmversuche beäugten. Ich muss zugeben, dass ich das Spektakel im Nachhinein nicht hätte missen wollen. Knut war wirklich unheimlich süß und auch sein Wärter hatte es mir angetan. Wenige Jahre später starben zunächst Knut und dann auch der Wärter. Knut für das Naturkundemuseum auszustopfen fand ich irgendwie dekadent und über ein Klatschblatt, wie ich es nur in Arztpraxen lese, erfuhr ich, dass der Wärter tatsächlich viele Verehrerinnen gehabt hatte, die ihn zu Lebzeiten mit Liebesbriefen überhäuft hatten und nun seinen frühen Tod betrauerten.

Fazit: Auch ein Eisbärenleben im Zoo ist weder für Tier noch für Wärter erstrebenswert. Alles ist so klar? – Nichts ist klar in dieser Welt, in der wir leben, nichts, außer der Tod!

Text: Birgit Braxator

 

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