Appell
zur Sorge um die Wale
David
G. Senn, Meeresbiologe an der Universität Basel
Was
mit den Walen geschehen ist:
Einst haben Wale die Meere reichlich besiedelt. Bevor es Menschen es Menschen
gab und auch während der meisten Zeit der Menschengeschichte, waren Wale nie
gefährdet. Es gab zwar Völker, wie Eskimos oder Tschuktschen, die als Bewohner
von Küstenregionen für ihren eigenen Bedarf Wale erlegten, aber an der Fülle
der Walpopulationen hat sich dadurch nie etwas geändert
Die Veränderung kam mit dem industriellen Walfanq.
In der Zeit des industriellen Walfangs ging es nicht mehr um eine nur annähernd
nachhaltige Nutzung, sondern um Profit. Innert knapp hundert Jahren haben die
von Gier getriebenen Menschen ein Blutbad angerichtet, das viele Walbestände in
die Nähe der Ausrottung trieb.
Im Südatlantik beispielsweise, wo es besonders viele Wale gab, war das Drama
wohl am Schlimmsten. Von landgestützten Stationen (z.B. South Georgia, Falkland
Islands) setzte die industrielle Jagd nach Walen zu Beginn des Jahrhunderts ein.
Anfangs wurden jährlich bis zu 14'000 Grosswale getötet. Als ab 1925 neben den
landgestützten Walfangsstationen auch noch „Fabrikschiffe" operierten,
die die Wale bereits auf hoher See verarbeiteten, wurde die Zahl der Jährlich
geschlachteten Wale um das 3-fache auf bis zu 40’000 gesteigert. Bis zu 41
schwimmende Fabriken und 232 Harpunenboote waren damals im südlichen Ozean
unterwegs. Allein auf der Insel South Georgia wurden so von 1904 bis1964
insgesamt 175’250 grosse Wale getötet und verarbeitet.
Inzwischen hat sich die Situation gebessert. Dazu ist aber wichtig zu
erwähnen,
dass der Mensch den Walfang nicht etwa aus Vernunft stoppte, sondern lediglich,
weil er die einst ergiebigsten Bestände bereits ausgeplündert hatte.
Die
heutige Bedrohung der Wale
Obwohl Wale Säugetiere sind, die charakteristische Merkmale (Warmblutigkeit,
Luftatmung mit Lungen, Lebendgeburt, Ernährunq der Jungen mit Milch)
beibehalten haben, verhalten sie sich funktionell wie Fische. Hydrodynamisch
geformt jagen und wandern sie weiträumig durch die Ozeane. Sowohl die Zahnwale
(Delphine, Pilotwale, Schweinswale, Pottwale), die nach Fischen und Kalmaren
jagen, als auch die Bartenwale (die grossen Formen wie Glattwale, Blauwal und
Buckelwal), die dank der Barten winzige Beute in grossen Mengen aus dem Meer
seihen, haben in den grossen Nahungsketten ihren Platz.
Die heutige Bedrohung der Wale entsteht in erster Linie durch eine
vielschichtige Übernutzung der Meere durch den Menschen.
So gefährden z.B. Umweltgifte, die durch die Verschmutzung der Meere
durch den Menschen ins Wasser gelangen, in gewissen Regionen die Wale (in
angeschwemmten toten Walen werden meistens angereicherte Schwermetalle
gefunden).
Das Hauptproblem liegt jedoch im Konflikt mit der Fischerei. Diese ist an
sich schon problematisch geworden, da die meisten Regionen der Ozeane bereits überfischt
sind, und es auch hier wohl eher um eine Plünderung der Fischbestände/ als um
eine nachhaltige Nutzung geht.
Allein im Pazifik sollen täglich 50’000 km Treibnetze ausgelegt werden, in
denen neben "unerwünschten" Fischen, Meeresschildkröten und Robben,
auch Wale als sogenannte Beifänge hängen bleiben. Betroffen sind
insbesondere Kleinwale (Delphine, Tümmler, Schweinswale, Pilotwale)/ aber
gelegentlich auch grössere Formen wie Glattwale und Zwergwale).
Während
sich die Bestände der Bartenwale nun zaghaft erholen, werden die viel weniger
beachteten "Kleinwale" weiterhin gejagt. Die Ursachen, durch die
Delphine und andere Zahnwale sterben, sind vielfältig: Beifang in der
Fischerei, Vergiftungen, vorsätzliche Jagd zur Gewinnung von Köderfleich (für
den Krabben fang) oder zwecks Ausschaltung vermeintlicher Konkurrenz in der
Fischerei.
Ferner jagt Japan, aus angeblich "wissenschaftlichen" Gründen trotz
des 1986 eingeführten Walfangmoratoriums, vorsätzlich Kleinwale als
"Kompensation". So werden z.B. jährlich etwa ca. 17'000
Dall-Hafenschweinswale getötet. Zynischerweise finden diese Jagdzüge im 1994
von der IWC (International Wahling Commission) beschlossenen antarktischen
Walschutzreservat statt.
Auch Norwegen jagt Zwergwale für "wissenschaftliche" Zwecke,
und strebt danach, im Nordatlantik auch den kommerziellen Walfang
wiederaufzunehmen. Als Begründung werden Bestandesschätzungen vorgelegt, deren
Zahlen reichlich zweifelhaft sind. Aus den oben angeführten Gründen, dürften
um 1990 pro Jahr weltweit gegen eine Million Kleinwale getötet worden sein. Zur
Zeit sind es deutlich weniger, ungefähr 200'000 pro Jahr. Allerdings wissen wir
nicht, ob die Fischerei vernünftiger geworden ist, oder ob es mittlerweile
schon viel weniger Kleinwale gibt.
Was nie erwähnt wird, ist, dass es bis heute nicht gelingt, Wale rasch zu töten.
Immer liegt Tierquälerei vor. Harpunierte Wale verenden in einem schmerzvollen
Todeskampf, der bis zu einer Viertelstundedauern kann.
Nach all den Schrecknissen des industriellen Walfangs, sollte die Menschheit
doch einmal vernünftig werden, und sagen "genug ist genug". Die IWC
gestattet indigenen Völkern (Z.B.Eskimos) den traditionellen Walfang zum
Eigenbedarf, "Aboriginal Subsistance Whaling" genannt.
Hochtechnisierte Industrieländer hingegen, sollten die Finger vom Walfang
lassen. Mit Zuversicht liesse sich dann beobachten, wie sich die Meeresoberfläche
allmählich wieder reichlicher mit den grossen Wanderern der Ozeane belebt.
Der bekannte englische Walforscher Sidney Holt schrieb einmal: "Daran,
wie die Menschheit künftig mit den Walen umgehen wird, werden wir erkennen, wie
sie letztlich mit sich selber umgeht".
Was können wir tun?
Wissend, dass die grösste Gefahr von der Fischerei (Beifänge) droht, sollte
uns beim Kauf und Konsum von marinen Fischen die Information zugänglich sein,
wie diese gefangen wurden. Wir brauchten ein "Label“, das verlässlich
bestätigt, dass der Fisch wal-schonend gefischt wurde. Es gibt dies bereits bei
Thunfischbüchsen. Die Bezeichnung "dolphin friendly" gibt eine
gewisse Gewähr, selbst wenn sie keine 100% Garantie bedeutet.
Thunfische werden im Kreisschliessnetz so erbeutet, dass den mitgefangenen
Delphinen die Gelegenheit gegeben wird, das Netz vor dem Einholen zu verlassen.
So müsste nun das gesamte Fischangebot hinterfragt werden. Gewiss wäre die
Einführung eines seriösen Labels aufwendig, und Kontrollen dürften sich als
umständlich erweisen, aber das darf nicht entmutigen. Es käme nicht nur den
Walen, sondern auch den durch plündernde Fangmethoden bedrängten Fischen und
anderen Meerestieren zugute.
Ferner sollten wir jene, die noch immer angeblichen wissenschaftlichen Walfang
bereiben, in Wahrheit aber auf kommerzielle Fänge hinarbeiten, deutlich spüren
lassen, dass wir anderer Meinung sind.
Solange Japan und Norwegen Wale jagen, könnten wir den Kauf ihrer Produkte nach
Möglichkeit meiden.
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