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Moabiter Erinnerungen
Moabit ist ein Ortsteil von Berlin im
früheren Verwaltungsbezirk Tiergarten. Diese Moabiter Geschichten wurden
erinnert aus einer Zeit, die ungefähr zwischen 1947 und 1970 liegt. Manche
dieser Erinnerungen sind noch sehr deutlich vorhanden, als Bilder, Gerüche,
Wortsequenzen und Gefühle. Manche dieser Erinnerungen sind aber auch vermischt
mit Erzählungen, Mythen und sicher auch der einen oder anderen Unterstellung.
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Sonntagmittag im
Sommer. Mein Vater hob die Glasschale, aus der er gerade die letzten
Scheiben des Gurkensalats gefischt hatte an die Lippen und schlürfte
bedächtig die süße Sahnesoße. Er stellte die Schale ab, wischte sich
mit dem Handrücken über den Mund und schaute meine Mutter an. „Was
meinst Du, wollen wir noch ein paar frische Obsttörtchen machen?“
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Im Kindergarten hatten
wir es schon gelernt, Advent bedeutet: „Zeit der Ankunft". Und es war wirklich so,
es kam jedes Jahr eine Menge auf uns Kinder zu, wenn die Tage kürzer
wurden: Zuerst wurde am Morgen der Kampf um die kurzen Hosen verloren.
Die Glücklichen unter uns durften richtige lange Hosen anziehen, die
meisten aber bekamen die langen Strümpfe über den Stuhl gehängt. Im
besten Fall rutschten diese, viel schlimmer waren aber die
Wollstrümpfe. |
Es begann immer damit,
dass auf dem Platz vor dem Rathaus der große Weihnachtsbaum aufgestellt
wurde, dann kamen die Buden in der Turmstraße und für uns Kinder wurde
es zu Gewissheit: Weihnachten steht vor der Tür.
Einem ungeschriebenen
Gesetz folgend begann dann das, was die einen Vorfreude, die anderen den
Weihnachtstrubel oder neudeutsch, Stress nannten.
Dazu trug in jedem Jahr auch der Kauf des Weihnachtsbaumes bei. „Bring aber dieses
Jahr nich wieder so’ne Strippe an ", war die erste Bemerkung
meiner Oma und es war eigentlich keine Bemerkung, sondern eher eine
Drohung. „Strippe" war ihre Bezeichnung für Weihnachtsbäume,
die den Gesetzen der Symmetrie nicht so ganz gerecht wurden.
Mein Vater verzog dann immer das Gesicht, als würden ihn Zahnschmerzen
quälen und Opa brummte nur, „Jeht das jetzt schon wieder los"?
Da wusste ich, es geht wieder los.
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Direkt
hinter dem Rathaus Tiergarten, nördlich der Turmstrasse, befindet sich auch heute noch der imposante rote Klinkerbau
der Arminius Markthalle, für uns immer nur "die Halle".
Solche Markthallen haben eine eigene Geschichte in Berlin, es gibt sie noch an
anderen Orten der Stadt, doch haben sie inzwischen viel von ihrer ursprünglichen Atmosphäre
verloren.
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Sommerbad Poststadion - Kinderzeit -
Als Kind war es für mich selbstverständlich, dass am
Sonntag von 14:00 bis 16:00 Uhr der Laden offen war. Meine Mutter verkaufte
Kuchen und mein Vater war dafür zuständig, für frisch geschlagene Schlagsahne zu
sorgen. Das war an jedem Sonntag so, im Sommer wie im Winter. Falls aber mal an
einem Samstagabend ein richtig heißer Sonntag angekündigt wurde, konnte ein
großes Wunder geschehen. Meine Eltern beschlossen und verkündeten, wir gehen
morgen ins "Poste", das heißt ins Freibad. War dieser Entschluss gefasst, so
konnte man natürlich nicht einfach sagen: "Na dann bis morgen!" Nein für einen
sonntäglichen Schwimmbadbesuch mussten eine Reihe von Vorkehrungen getroffen
werden, denn um 14:00 musste der Laden ja für den Sonntagsverkauf geöffnet
werden.
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Sommerbad Poststadion - Jugendzeit - Durch ein
Wolkenloch quälten sich ein paar Sonnenstrahlen. Amigo, der Bademeister,
nur ein paar Jahre älter als wir, hatte uns gerade den Ball abgenommen.
„Könnt ihr euch heute Abend wieder abholen, wißt ihr doch, Fußball is
nich!“ Ohne sich zu uns umzuschauen ging er rüber zu den Schwimmbecken,
den Ball unter den muskelbepackten rechten 0berarm geklemmt. „Misst, is
doch heute überhaupt nüschts los, sind doch ja keene Leute da!“ brummte
einer von uns, nicht sehr laut, denn mit Amigo, er war ein
moabitbekannter Amateurboxer, legte sich niemand an. Wir schauten uns
ratlos an. „Hat eener Karten dabei“?
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Es muss so die Zeit gewesen sein, als ich noch nicht zur Schule ging.
Unten in dem Zimmer neben dem Bäckerladen schliefen noch Mami und Vati,
Sonntagmorgen. Ich wusste schon damals, dass meine Eltern an allen
Wochentagen immer sehr früh aufstehen mussten und darum war der
Sonntagmorgen die Zeit für sie zum ausschlafen. Da wurde der Bäckerladen
nämlich erst am Nachmittag geöffnet. Und wenn von der Kundschaft jemand
fragte, haben Sie am Sonntag auf? Antwortete meine Mutter immer: „Ja, von
2 bis 4!“. Und sie sagte das immer noch mit viel Freundlichkeit in der
Stimme.
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„Das ist doch ein Kinderspiel!“, mit diesem Satz kommentierten
Erwachsene damals häufig Aktivitäten, die ihrer Meinung nach keine
großen Fähigkeiten erforderten. Ergänzt oft mit den Bemerkungen: “Das
kann doch jeder!“ „Stell dich doch nicht so an!“ oder „Das ist doch ganz
einfach!“
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