Dolfo
und Fine
Es war einmal in
einer Zeit vor dieser Zeit, als Wünsche noch Träume und Träume noch
Wünsche brachten. Da lebten in einem kleinen Fischerdorf am Strand eines
großes Meeres ein Mädchen, das hieß Fine und ein Junge, der wurde Dolfo
genannt. Sie lebten hier in dem Dorf mit ihren Eltern. Die Väter
fuhren jeden Tag hinaus aufs Meer, denn sie waren Fischer. Wenn sie
zurück an den Strand kamen warteten dort die Frauen, holten die Fische
in großen Körben und brachten sie in das Dorf, um sie dort zu verkaufen.
Manchmal, wenn der Fang besonders groß war, machten sie sich auch auf
den mühevollen Weg in die Stadt, um dort auf dem Markt ihre Fische für
gutes Geld zu verkaufen. Dort regierten der König und die Königin des
Landes, die kümmerten sich sonst aber kaum um das kleine Dorf am Meer.
Der Papa von Fine
wurde der „Schwarze" genannt, denn er hatte lange schwarze Haare und
einen schwarzen Bart. Dolfo's Vater hieß überall nur der „Rote" - nun,
ihr könnt es Euch schon denken, er hatte lange rote Haare und
einen.......jawohl, roten Bart. So kam es, dass die beiden Familien
überall nur die „Roten" und die „Schwarzen" genannt wurden. Aber
darüber dachten Fine und Dolfo niemals nach, wenn sie sich zum Spielen
trafen, mit den anderen Kindern des Dorfes im Meer herumtobten oder in
den Felsen gemeinsam nach Muscheln suchten. An anderen Tagen kletterten
sie auch durch die steilen Klippen, um in den Felsen nach Eiern der
Seevögel zu suchen. Die Zeit verging, die Kinder wuchsen heran und
wurden junge Leute. Da war es schon so, dass sie auch den Eltern zur
Hand gehen mussten und fleißig ihr Tagewerk verrichteten. Doch es blieb
noch immer genug Zeit, um einander zu sehen. Jetzt waren sie aber nicht
mehr so oft mit den anderen jungen Leuten des Dorfes zusammen, sondern
trafen sich lieber alleine. Sie wollten ungestört sein, wie das so ist,
wenn man sich verliebt hat.
Nun kam aber die Zeit, dass der Königssohn seinen
zwanzigsten Geburtstag
feiern sollte. Ein Herold ritt durch das Land und irgendwann kam er auch
in das kleine Dorf am Meer. Dort verkündete er mit lauter Stimme: „Im
Namen des Königs: Jedes Dorf soll zum Geburtstagsfest des Königssohnes
etwas Besonders beisteuern. Dieses Geschenk sollte dann von einem jungen
Mädchen des Dorfes zum Fest gebracht werden."
Der Familien des Dorfes überlegten nicht
lange. Fine sollte die Botin sein. Als der Schwarze und der Rote am
nächsten Tag einen ungewöhnlich schönen, blauglänzenden Fisch aus ihrem
gemeinsamen Netz zogen, war es allen klar, das war das Geschenk des
Dorfes für den Königssohn. So zog am nächsten Tag, am Geburtstag des
Königssohnes, das gesamte Dorf in die Königsstadt. Schon aus der Ferne
hörte man die Fanfaren über das Land tönen und als sie näher kamen,
sahen sie die bunten flatternden Wimpel auf den Zinnen der Stadtmauer.
Überall herrschte großes Gedränge, denn aus dem ganzen Land waren die
Menschen herbei gekommen, um dem Königssohn zu gratulieren und die
Geschenke zu übergeben.
Vor dem Schloss war
ein großes Podest aufgebaut. Dort saßen, unter einen goldenem Baldachin,
der König auf seinem Thron, ihm zur Linken seine Gemahlin und auf der
anderen Seite der junge Königssohn. Alle trugen zur Feier der Tages
prächtige mit Brokat und Purpur geschmückte Gewänder. Als die Glocke vom
Kirchturm die Mittagsstunde einläutete erhob sich der König und sprach:
„So höret denn nun, meine Untertanen, ich sehe, wertvolle Geschenke habt
ihr zum Geburtstag meines Sohnes gebracht, die auserwählte jungen Frauen
des Landes werden die Geschenke überreichen. Nun verkündige ich euch:
Meine Sohn wird noch heute die schönste von ihnen zur Frau wählen. Drei
Tage soll das Hochzeitsfest dauern. Dann soll sie die neue Königin sein.
So habe ich es beschlossen und nunmehr verkündet."
Da riefen die Leute „Bravo!" und „Hurra!" und
großer Jubel ertönte auf dem Platz vor dem Schloss. Man sah, wie überall
noch schnell Frisuren gerichtet und Kleider zurecht gezupft wurden. Dann
begann die Übergabe der Geschenke für den Königssohn und der Zug der
jungen Frauen setzte sich in Bewegung. Jedes Dorf hoffte nun, dass die
Abgesandte aus ihren Reihen die Auserwählte des Königssohnes sein möge.
Das wäre doch eine große Ehre für alle.
Dolfo aber zog den Kopf zwischen die Schultern, er spürte, wie die Angst
sich auf seinem Rücken ausbreitete. Wusste er doch um die Schönheit
seiner Fine. Würde der Königssohn...? Er mochte den Gedanken nicht zu
Ende denken. Dennoch drängte er sich nach vorne zur Bühne, auf der die
Königsfamilie saß. Er musste sich Gewissheit verschaffen.
Ein Mädchen nach dem anderen trat vor den
Königssohn. Doch der schaute die Mädchen nur kurz an, murmelte ein paar
Worte, nahm ihnen das Geschenk aus den Händen und legte es achtlos zur
Seite.
Und dann geschah
es. Fine trat vor den Königssohn. Er blickte auf, als sie den großen
Korb vor ihm auf dem Boden abstellte und den Fisch herausnahm. Dieser
war in große grüne Blätter eingewickelt, die sie jetzt Blatt für Blatt
entfernte. Jetzt hielt sie den noch immer wunderbar blau leuchtenden
Fisch in den Händen und wollte ihn dem Königssohn reichen. Doch der
hatte keine Augen für das Geschenk. Er schaute nur die junge Frau an.
Plötzlich war es mucksmäuschenstill auf dem weiten Platz. Die Königin
presste vor Aufregung ihr seidenes Taschentuch vor den Mund. Da rief
der Königssohn: „Man reiche mir die Krone. Sie ist es, die meine Frau
werden soll!"
Fine zuckte
erschrocken zusammen. Unten, vor der Bühne sah sie Dolfo stehen. Ihre
Blicke begegneten sich und da wussten sie beide, was jetzt geschehen
würde.
In diesem Augenblick reichte ein Diener die
Krone dem Königssohn, der sie Fine aufs Haupt setzte. Einzelne Rufe
hallten über den Platz, doch jeder spürte die Spannung die in der Luft
lag. Fine hatte noch immer den Fisch in der Hand. Sie hielt ihn dicht
vor das Gesicht des Königssohnes. Plötzlich begann das Tier mit seinen
Flossen hin und her zu schlagen und es sah so aus, als würde es dem
Königssohn ein paar Ohrfeigen verpassen. Vor Schreck ergriff er den
Fisch. Da bückte sich Fine, hob den großen Fischkorb vom Boden auf – und
stülpte ihn dem Königssohn über den Kopf.
Nun gab es ein
riesiges Geschrei auf dem ganzen Platz. Der Königssohn hüpfte auf der
Bühne hin und her, während der Fisch wie wild zwischen seinen Beinen
zappelte, der König reckte beide Fäuste in die Höhe und schrie vor Wut
und die Königin, sie war in Ohnmacht gefallen. Das Volk vor der Bühne
lachte, johlte und tobte. Während dieses gewaltigen Tumults achtete
niemand mehr auf Fine. Sie war von der Bühne herab in die Arme ihrs
Liebsten gesprungen, die Menge bildete für die Beiden eine Gasse, die
sich gleich wieder schloss und schon waren sie wie vom Erdboden
verschwunden.
Inzwischen hatte sich der Königssohn mit Hilfe
der Diener aus dem Fischkorb befreit. Man erzählte ihm was geschehen war
und dass Fine mit einem fremden Mann in der Menge verschwunden war. Da
befahl er wutentbrannt das Stadttor zu schließen, die Wachen sollten
sofort alarmiert werden und man möge ihm auf der Stelle sein Pferd
bringen. Diese Schmach konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Er musste
die beiden verfolgen und bestrafen.
In diesem ganzen Aufruhr dauerte das alles
natürlich eine ganze Weile. Diesen Vorsprung konnten Fine und Dolfo gut
nutzen und als das schwere Fallgitter am Stadttor herunterrasselte,
waren sie schon längst draußen auf der Landstraße.
So schnell sie konnten liefen sie hinunter zum Meer. Dort zwischen den
Klippen wollten sie einen sicheren Platz finden und sich verstecken, bis
die Wut des Königssohnes verraucht war.
Als der Königssohn auf
seinem Pferd die Stadtmauer erreichte, stand er plötzlich vor dem
verschlossenen Tor. Er brüllte vor Wut. Es dauerte aber noch einmal eine
ganze Weile, bis die Stadtwachen das schwere Gittertor wieder empor
gezogen hatten. Dolfo und Fine war längst nicht mehr zu sehen. Doch
der Königssohn ahnte, dass sie hinunter zum Meer laufen würden. Und so
gab er seinem Pferd die Sporen und galoppierte die Landstraße hinunter,
bis nur noch eine dichte Staubwolke zu sehen war. Die Pferde der Wachen
waren natürlich längst nicht so schnell, so dass die Reiter hustend von
der Staubwolke des Königssohnes eingehüllt waren, während sie ihm
folgten.
Bald
konnten Fine und Dolfo in gar nicht mehr so weiter Ferne das Meer sehen.
Sie liefen inzwischen auf einem schmalen Weg zu den Klippen hinunter.
Hinter sich hörten sie die Hufschläge des Pferdes, die näher und näher
kamen. Jetzt konnten sie schon die wütenden Schreie ihres Verfolgers
hören. Als Dolfo sich umblickte sah er, das der Königssohn sein Schwert
gezogen hatte. Jetzt standen Fine und Dolfo am Rand der Klippe auf einen
Felsvorsprung. Sie hatten sich an die Hände gefasst und schauten sich
an, mit einem stillen Lächeln. Sie wussten, niemand würde sie jemals
trennen können. Der Königssohn kam jetzt laut schreiend den schmalen Weg
hinuntergerannt, das Schwert funkelte in der Abendsonne. Hinter ihm
drängten sich auch schon die königlichen Soldaten den Weg hinunter.
Der Königssohn wollte gerade auf den glatten
Felsen klettern, auf dem eben noch Fine und Dolfo standen, da sprangen
beide über die Klippe, hinunter ins Meer. Die goldenen Krone auf ihrem
Kopf leuchtete mit feinen funkelnden Strahlen in der Abendsonne.
Er sah gerade noch, wie die beiden in die
Fluten tauchten, dann schlugen die Wellen über ihnen zusammen und eine
große schwarze Wolke schob sich vor die Sonne. Plötzlich war es ganz
dunkel, aus der Ferne hörte man ein dumpfes Donnergrollen. Die Soldaten
warfen sich erschrocken auf den Boden, denn sie fürchteten ein böses
Zeichen, dort oben am Himmel.
Lange noch tuschelten später die Menschen und
steckten die Köpfe zusammen, wenn sie von diesem Tag erzählten. Denn
laut durfte darüber ja niemand reden, dass hatte der König verboten.
Und bald gab es noch mehr zu erzählen.
Zuerst
waren es der Schwarze und der Rote, die von ihren Beobachtungen
erzählten. Sie hatten Tiere im Meer gesehen, die ganz anders schwammen,
als die Fische die sie kannten. Sie kamen auch immer wieder an die
Wasseroberfläche, um zu atmen. Dann hatten sie auch entdeckt, dass diese
Tiere Babys hatten, die zu ihrer Mutter kamen, um dort zu trinken. Und
schließlich waren diese Tiere auch anderen Fischern begegnet, bald
hatten viele Menschen sie gesehen und sich an ihnen erfreut, an ihrer
Schönheit und Anmut. Solche Tiere hatte es vorher noch nie im Meer
gegeben. Die Menschen sprachen nun ganz offen darüber, erst in dem Dorf
und bald im ganzen Land. Und der König konnte es nicht mehr verbieten.
Es hieß auch, wenn man am Strand spazieren geht, könnte man dort
vielleicht einen der Edelsteine finden, aus der Krone, die Fine damals
trug, als sie mit Dolfo von der Klippe heruntergesprungen war.B
ald waren sich die Menschen ganz sicher, diese
besonderen Tiere dort im Meer, das sind die Kinder, von Dolfo und Fine -
und es dauerte nicht mehr lange, da nannte man sie die Dolfofine und
später – ihr wisst es schon, waren das die Delfine.
Ja, und das ist das
Märchen ihrer Geschichte.
Top
©
polenski/krause/berlin-bits
|