Die
goldenen Brötchen
Es war einmal in einer Zeit vor dieser Zeit,
als Wünsche noch Träume und Träume noch Wünsche brachten, da gab es in
dem Land hinter den silbernen Bergen ein Königreich, in dem herrschten
einer Königin und einem König in gemeinsamer Eintracht. Beide regierten
das Land weise und klug und waren gut und gerecht zu jedermann.
So kam es wohl auch, dass der Himmel über dem
Land ganz besonders blau war, das klare Wasser der Brunnen und Bäche
besonders frisch schmeckte und die Blumen besonders bunt leuchteten und
strahlten.
Wenn der König und die Königin einmal mit ihrer goldenen Kutsche über
Land fuhren, standen die Menschen am Wegesrand, zogen ihre Hüte,
verbeugten sich und riefen: „Lang lebe die Königin, lang lebe der
König“.
Nun begab es sich aber, dass zu einer Zeit die Königin ein Kind bekam,
es war ein Mädchen und sie nannten es „Meinherz“.
Meinherz wuchs heran und wurde älter und wenn
sie im Schlossgarten spielte und die Menschen sieh sahen, so sprachen
sie zueinander: „Was ist Meinherz doch für ein besonderes Kind“ Und so
wuchs das Kind heran.
Da geschah es aber, dass die Königin krank
wurde und das dunkle Fieber sie überfiel. Der König ließ die besten
Ärzte rufen, doch niemand konnte der Königin helfen, so dass sie bald
darauf sterben musste
Im ganzen Königreich, landauf, landab,
trauerten die Menschen um die Königin, doch ganz besonders grämte sich
der König. Er erschien nur noch ganz selten im Thronsaal und die Diener
und Berater durften ihn nicht stören, wenn er sich in seinem
Schlafgemach eingeschlossen hatte.
So kam es, dass sie
Regierungsgeschäfte fast nur noch von dem obersten Minister erledigt
wurden Doch dieser war ein arglistiger, garstiger und hartherziger Mann.
Er erdachte immer neue Steuern und Abgaben, so dass die Menschen im Land
darunter zu leiden hatten. Doch niemand traute sich laut zu murren, denn
die Spitzel des Ministers waren überall und wehe, wenn sie einen Bürger
erwischten, der sich über die Lasten beschwerte.
Meinherz spürte die Unruhe und vernahm wohl
auch hin und wieder, wenn die Diener und Mägde im Schloss die Köpfe
zusammen steckten und tuschelten, doch sie konnte die Bedeutung der
Worte nicht verstehen. So fragte sie eines Tages die alte Köchin, der
sie vertrauen konnte: „Sag an Mathilde, was ist es für ein Leben, das
die Menschen führen, auch außerhalb des Schlosses?“
„Oh, mein Kind“,
antwortete die Alte und strich ihr mit zärtlichen Geste über das Haar,
„als deine selige Mutter noch lebte und der Herr König noch ein gütiger
und gerechter Herrscher war, da war es ein angenehmes und glückliches
Leben in diesem Königreich. Doch heute und in diesen Tagen.....“ Dann
hielt sie sich erschrocken die Hand vor den Mund und wollte nicht weiter
sprechen, denn ein Spitzel des Ministers beugte sich in diesem
Augenblick neugierig lauschend um die Ecke.
Nun war Meinherz
aber aufmerksam geworden Eines Tages, als gerade eine Kutsche den
Schlosshof verlassen wollte schlüpfte sie in den Kutschkasten und
verstecke sich dort. Dann rumpelte die Kutsche über die Zugbrücke davon.
Nach einer Weile hob Meinherz vorsichtig den
Deckel des Kutschkastens an und lugte hinaus. Überall sah sie Menschen
auf den Feldern arbeiten, sie standen gebückt und verrichteten ihr
Tagewerk mit müden Bewegungen.
Als die
Kutsche
einmal vor einem Wirtshaus anhielt und der Kutscher mit lautem Hallo im
Wirtshaus verschwunden waren schlüpfte Meinherz aus dem Kutschkasten und
schaute sich in der Gasse um.
Und weil sie gerade hungrig war, holte sie
aus ihrer Schürzentasche eine Semmel und wollte eben hinein beißen, da
erblickte sie in einem Hauseingang ein Kind, das sie mit müden Augen
anschaute. Meinherz spüre die Not des Kindes und so fragte sie:
„Sprich! Was ist es, das dir solchen Kummer
bereitet und dein Herz bewegt?“ „Meine Mutter arbeitet seit drei Tagen
auf den Feldern,“ antwortete sie, “ich warte auf ihre Heimkehr und auf
ein einziges Stück Brot.“ Da reichte Meinherz ihr das Brötchen und
während das Kind zu essen begann und sich dabei immer wieder ängstlich
umschaute, erzählte sie von dem Hunger, der Not und den Sorgen der
Menschen im Land. Die Königstochter lauschte aufmerksam und sie war
erfüllt von Mitgefühl und Bitterkeit, dass die Menschen in dem
Königreich ihres Vaters so leiden mussten.
Plötzlich
rumpelte die Kutsche vorbei, die auf dem Rückweg zum Schloss war. „Aus
dem Weg!“ schrie der Kutscher und knallte mit seiner Peitsche. Das
Mädchen zuckte erschrocken zusammen und verschwand in dem dunklen
Schatten des Hauseingangs, während Meinherz geschwind wieder in den
Kasten sprang und mit zurück ins Schloss fuhr.
In den nun folgenden Tagen ließen alle die
Bilder, die sie gesehen hatte, nicht mehr los. Immer wieder musste sie
an ihre Begegnung mit dem Mädchen denken und an die Not und den Kummer
der Untertanen im Königreich.
Da kam die Zeit ihres Geburtstags heran. Der
König war noch immer voller Gram, er überlegte Tag für Tag, hin und her
und wollte doch kein Fest auf seinem Schloss. Doch Meinherz bat ihren
Vater so sehr, dass er schließlich einwilligte und um seiner Tochter
eine Freude zu machen, sollte die Feier doch stattfinden. Ihr einziger
Wunsch war es, dass sie Kinder aus dem Reich eine Freude machen wollte
und jedes von ihnen soll ein Brötchen bekommen.
Da schickte der
König Meinherz zum Hof – Bäcker im Schloss, um dort die Brötchen zu
bestellen. Noch am selben Tag eilte sie zum Bäcker. Der war über den
Auftrag überhaupt nicht begeistert, denn er hat auch gar nicht genug
Mehl für so viele Brötchen vorrätig. Doch weil er sich der Anweisung der
Königstochter nicht widersetzen konnte, suchte er alles Korn zusammen,
das er noch in der Vorratskammer hatte. Dann rief er den Bäckerburschen
und schickte ihn mit den zehn Säcken Getreide zur Mühle. „Komm nicht
eher zurück, ehe das ganze Getreide gemahlen ist!“ so sprach er
missmutig zu ihm.
Es dämmerte schon, als sich der Bäckerbursche
mit den zehn Säcken auf den Weg zur Mühle machte. Kurz nachdem er das
Schloss verlassen hatte, er war noch gar nicht weit gefahren, stand
plötzlich ein Mann in einem dunklen Kapuzenmantel am Wegrand, winkte ihm
zu und sprach:“Höre Bäckerbursche, nimm mich mit ein Stück des Weges, es
soll dein Schaden nicht sein.“ Dabei hielt er ihm einen Dukaten vor die
Nase. „Steigt nur ein, Herr“, erwiderte der Junge und steckte schnell
die Münze ein. Da warf der Mann den Sack, den er auf dem Rücken trug auf
den Wagen, kletterte auf den Kutschbock und sie setzten gemeinsam die
Fahrt fort.
Was der Bäckerbursche nun aber nicht wusste, der Mann in dem
Kapuzenmantel war niemand anderes als der böse Minister, der sich mit
einem Sack voll Gold aus dem Staube machen wollte.
Als sie ein ganzes
Stück gefahren waren, rumpelte und pumpelte der Wagen über eine
Baumwurzel, schaukelte dabei so sehr, dass sich die Beiden gut
festhalten mussten und dabei purzelten die Säcke durcheinander.
Kurz darauf, an
einer Weggabelung, stand plötzlich ein weitere dunkle Gestalt mit zwei
Pferden. „Stopp! Halte an!“ rief da der böse Minister, dann sprang er
von dem Wagen, ergriff eilig einen Sack, schwang sich auf das Pferd und
die beiden Bösewichte galoppierten davon und waren gleich darauf in der
Dunkelheit verschwunden.
Was nun aber niemand bemerkte hatte, der böse
Minister erwischte in seiner Gier den falschen Sack und so fuhr der
Bäckerbursche weiter, mit neun Säcken Korn und einem Sack voller
Goldstücke.
Der Müller war sehr zornig, als er schließlich die Mühle erreichte, denn
so spät wollte er kein Korn mehr malen. Doch weil das Korn vom Schloss
kam mit dem Auftrag des Königs, erhielt der Bäckerbursche der Erlaubnis,
das Getreide selber zu mahlen.
So müde und erschöpft wie er nun schon war,
begann er das Korn zu malen, Und so mahlte er Sack um Sack und um nicht
einzuschlafen, dachte er immer wieder an die junge Königstochter und war
glücklich darüber, dass er ihr eine Freude machen konnte.
So war er frohen Mutes, als die Säcke zu Mehl
vermahlen waren und er lud sie wieder auf seinen Wagen, um sich auf den
Heimweg zu machen. Doch weil er so müde war, verzählt er sich und malte
nur 9 Säcke, ein Sack blieb übrig und das war der Sack mit den
Golddukaten. So fuhr er nun los mit seiner kostbaren Fracht, die beiden
Pferdchen trabten geschwind und freuen sich auf ihren Stall und so kam
der Bäckerbursche bald wieder nach Hause.
In der Bäckerei angekommen schleppte der
Bäckerbursche die Säcke in die Backstube und schüttet sie in einen
großen Trog, dann gab er Milch und Zucker und Butter und Hefe dazu, denn
die Königstochter hatte ja befohlen, dass es gute Geburtstagsbrötchen
werden sollen. Nachdem er den Teig eine Weile geknetet hatte, bemerkte
er kurz, dass es immer wieder Klumpen in dem Teig gab. Doch weil er so
müde war und die Brötchen ja zum Geburtstag der Königstochter am
nächsten Morgen fertig sein sollten erkannte er nicht, dass das die
Golddukaten waren. Nun begann er geschwind damit, die Brötchen zu formen
und so geschah es, dass sich in jedem von ihnen eine Golddukate befand.
Als die
Morgendämmerung in die Backstube hinein schaute, waren fast alle
Brötchen fertig, doch der Bäckerjunge war so erschöpft, dass er den Kopf
gegen den Bachofen lehnte und einschlief. An diesem Morgen ihres
Geburtstags war die Prinzessin schon früh aufgestanden und gleich in die
Backstube gelaufen, um die Geburtstagsbrötchen in Empfang zu nehmen. Oh,
wie war sie voller Entrüstung, als sie den Bäckerburschen schlafen am
Backofen fand. Sie rüttelte ihn an der Schulter und rief voller
Empörung: „Wie, du schläfst? Was ist mit meinen Geburtstagsbrötchen, für
die Kinder des Landes?“ Verstört rieb sich der Bäckerbursche die Augen
und auch wenn die Prinzessin so wütend auf ihn war, als er in ihre Augen
schaute rief er fröhlich:“Liebe Prinzessin, verzeiht mir, doch es ist so
viel geschehen!“ Dann erzählte er ihr die Ereignisse der letzten Nacht,
zeigte auf die schon gebackenen Brötchen und versprach, geschwind auch
den Rest fertig zu machen.
Erst jetzt entdeckte die Prinzessin die
vielen, duftend warmen Brötchen, die überall herumstanden, sie war so
voller Freude, dass sie ihn umarmte und in mit einem herzlichen Kuss
belohnte.
Nun begannen
sie gemeinsam, die restlichen Brötchen zu formen und in den Backofen zu
schieben. Bald durchzog der Duft immer neuer warmer Brötchen nicht nur
die Backstube, er wehte hinaus auf den Schlosshof, strömte durch alle
Zimmer im Schloss und zog dann weit über das Land, verbreitete die Kunde
vom Geburtstag der Prinzessin und dem Geschenk, dass sie den Kindern des
Landes machte.
Gleich darauf wurden die Brötchen in große
Körbe verladen und Reiter galoppierten los und brachten sie überall
hinaus in das Land zu den Kindern, damit sie alle den Geburtstag der
Königstochter feiern konnten.
Es verging nicht viel Zeit und überall im
Land wurde bemerkt, dass in dem Brötchen ein Goldstück eingebacken war
und alle Leute klein und groß, dankten und lobten die Königstochter und
den König. Aus dem ganzen Reich strömten sie herbei zum Schloss, um der
Königstochter zu gratulieren und dem König zu huldigen.
Als der König die
vielen Menschen vor dem Schloss sah und bemerkte, wie sie sich freuen
und den Geburtstag seiner Tochter feierten, da erwachte er aus seiner
Traurigkeit und feierte mit ihnen voller Freude. So wurde ein großes
Fest gefeiert, mit Spaß und Spiel für die kleinen und die großen
Menschen Als
dann aber die Musik aufspielte, holte die Königstochter den
Bäckerburschen zum Tanz und die beiden schauten sich tief in die Augen
und sie entdeckten die Liebe, die sie miteinander verband. Es verging
nur noch wenig Zeit und bald darauf wurde die Hochzeit gefeiert.
So lebten sie
lange und glücklich zusmmen und wenn sie nicht gestorben
sind......................…
Ach ja, das Wunder
der goldenen Brötchen aber, das blieb noch lange weiter ein Geheimnis.
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